Für alle Freunde der Kontinuität: Lasst uns zumindest kurz festhalten, dass 2020 das absolute top-notch Jahr in puncto Veränderung darstellt. Und auch wenn Change nicht «Everybody’s Darling» ist, lässt sich die Notwendigkeit von Veränderung in unserer Gesellschaft schlecht kleinreden. Aber no worries: Viele Wege führen nach Rom – nur welcher passt zu deiner Organisation?
Top-Down, bottom-up und alles dazwischen
Die Industrie 4.0-Freunde unter uns diskutieren wohl gerade, wie wirkungsvoll Transformationsprozesse durch klassische «Top-Down»-Ansätze heutzutage noch sind. Verständlich, denn alle, die jemals einen Change durchlaufen haben, wissen was folgt, wenn einem Mitarbeitenden der Richtungswechsel nicht entspricht: Der Anschiss des Lebens. So sollen «Bottom-Up»-Ansätze – also von den Mitarbeitenden getragene und mitentwickelnde Change-Prozesse – zukunftsweisender sein. Aber auch das kann nicht pauschalisiert werden, denn aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass gerade mal 16% der Studienabgängerinnen und Abgänger sich für flache Strukturen interessieren (Statista, 2020). Der Rest bevorzugt das Steak vorgekaut.
«FLACHE HIERARCHIEN GEHÖREN NICHT ZU DEN BEVORZUGTEN EIGENSCHAFTEN BEI DER WAHL DES ARBEITGEBERS. »
– STATISTA, 2020
Interessant wird es dann, wenn sich die beiden Ansätze vermischen, wie z.B. beim «Multiple-Nucleus»-Ansatz – eine Art Fleckenstrategie, in welcher der Change an unterschiedlichen Stellen der Organisation implementiert und anschliessend eskaliert wird. Chaos-Potenzial: hoch. Auch der der «Both-directions»-Ansatz verspricht durch Inklusion mehr Identifikation und tilgt eine vermeintliche Benachteiligung seitens der Mitarbeiter (Bornemann, 2014). Deutlich wird aber auch, wie ressourcenintensiv diese Ansätze in der Praxis zu scheinen sind. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie schnell ein solcher Change vollzogen sein soll und wie schnell mit einer Effektivitätssteigerung gerechnet werden kann.
Wir halten fest: Veränderungsprozesse haben stets zwei Komponenten, die für eine erfolgreiche Durchführung irgendwo im Einklang stehen müssen:
- Eine funktionale Komponente, die den Wandel als prozessorientierten Ablauf darlegt.
- Eine emotionale Komponente, die den Wandel in der Person beschreibt.
Der funktionale Wandel – die Sicht der Organsation
Interessanterweise werden die beiden Komponenten insbesondere bei der Analyse der Change-Modellen deutlich. Sowohl das «3-Phasen-Modell» von Kurt Lewin als auch das «Pinguinprinzip» von John P. Kotter erinnern in ihrem Aufbau – und unweigerlich auch in ihrer Formulierung – als klassischer Top-Down-Ansatz.
Das 3-Phasen-Modell
Abgesehen davon, dass mich Lewins 3-Phasen-Modell in seiner Formulierung an ein Tiefkühlkost-Rezept erinnert, vermittelt der Ansatz zwar eine Absicht von Integration, ist aber in der Durchführung ohne Entscheidungsbefugnis kaum durchzusetzen.
- Unfreezing: Ein System weich und veränderbar machen.
- Moving: Die Hinüberleitung auf das neue Niveau.
- Freezing: die Verfestigung oder «Umgewöhnung» der Truppe.
Das Pinguinprinzip
Obwohl Kotter mit seinem Pinguinprinzip eine etwas abstrakteres – und dadurch vielleicht zugänglicheres – Change-Modell entwickelt hat, wird auch hier eine gewisse «Befehls- oder Kontrollmethode» deutlich.
- Gefühl der Dringlichkeit vermitteln.
- Eine Führungskoalition aufbauen.
- Eine Vision und Strategie entwickeln.
- Die Vision kommunizieren.
- Hindernisse aus dem Weg räumen.
- Kurzfristige Erfolge sichtbar machen.
- Veränderung weiter antreiben, nicht nachlassen.
- Veränderung in der Kultur verankern.
Der emotionale Wandel – die Sicht der Betroffenen
Und dann gibt es die Change-Strategien, die sich mehr mit der emotionalen Komponente des Wandels befassen. Im Zentrum aller drei Strategien steht die Tatsache, dass der Wandel erst mal Widerstände auslöst. Widerstand liegt laut Hafen (2007, S. 14) in der Natur des Menschen: Durch Routine trainieren und stabilisieren wir unser geistiges Netzwerk; die Rezeption neuer Anreize ist für unser Gehirn im Verlauf unseres Lebens also durchaus eine Challenge.
Die Modelle der Emotionen
Die folgende Auflistung konsolidiert in etwa die Achterbahn der Gefühle, die den emotionalen Wandel festhalten. Dazu gehören: Elisabeth Kübler Ross‘ «Phasenmodell der Emotionen», die «Kompetenz-Veränderungskurve» von Richard K. Streich sowie «Die vier Zimmer der Veränderung» von Claes F. Janssen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den Personen, die den Change eher als eine unerwünschte Beilage statt Chance verstehen.
- Schock: Grosser Unterschied zw. eigenen und fremden Erwartungen und eingetroffener Realität.
- Verneinung: Falsches Sicherheitsgefühl, überhöhte Einschätzung der Verfahrens- und Verhaltenskompetenzen.
- Einsicht: In die Notwendigkeit von neuen Verfahrens- und Verhaltensweisen.
- Akzeptanz: Loslassen alter Verfahrens- und Verhaltensweisen.
- Ausprobieren: Suchen neuer Verfahrens- und Verhaltungsweisen (Erfolge, Misserfolge, Ärger, Frustration)
- Erkenntnis: Warum gewisse Verfahrens- und Verhaltungsweisen zum Erfolg führen und andere zum Misserfolg.
- Integration: Übernahme erfolgreicher Verhaltensweisen ins aktive Handlungsrepetoire.
«DER WIDERSTAND KOMMT AUS DER NOCH UNBEWUSSTEN ANGST, DIE BEHERRSCHUNG ÜBER DIE WIRKLICHKEIT ZU VERLIEREN UND NICHT ZU WISSEN, WIE MAN IHR GERECHT WERDEN KANN. »
– TROBISCH, 2012
Change als Mindset?
Dieser Blogbeitrag soll keineswegs als Checkliste verstanden werden – bei der Auswahl der Change-Modelle gibt es kein Richtig oder Falsch. Viel mehr müssen diese der Unternehmensphilosophie entsprechen und sind abhängig von der Führungs- respektive Kommunikationsstruktur. Eine gewisse Diskrepanz zum Wort «Wandel» lässt sich bei einigen der Change-Modellen jedoch nicht wegdiskutieren. Wandel ist selten linear und so gut wie nie abgeschlossen. Modelle, die diese Komponenten etwas mehr in den Vordergrund setzen sind die «Heros Journey» von Joseph Campbell / das «Heldenprinzip» von Nina Trobisch oder die «Theory U» von Otto C. Scharmer.


«Heros Journey», Joseph Campbell & «Theory U», Otto C. Scharmer
Egal ob als Prozess oder Emotion: Wandel ist und bleibt unberechenbar. Dementsprechend flexibel müssen wir darauf reagieren. Ist Change also viel mehr ein Mindset? Was uns bleibt sind Fragen, aber auch das Verständnis, das Rad nicht neu erfinden zu müssen. Erfolgreiche Modelle wie z.B. das agile Projektmanagement machen es vor: Durch Toleranz und Mitwirkung ist selten jemand gegen die Wand gefahren.
Die Change-Modelle in der Übersicht
- Das «3-Phasen-Modell» von Kurt Lewin
- Das «Pinguinprinzip» von John P. Kotter
- Das «Phasenmodell der Emotionen» von Elisabeth Kübler Ross
- Die «Kompetenz-Veränderungskurve» von Richard K. Streich
- Die «Vier Zimmer der Veränderung» von Claes F. Janssen
- Die «Theory U» von Otto C. Scharmer
- Das «Heldenprinzip» von Nina Trobisch