Die folgenden Zeilen sind uns Kommunikationsverantwortlichen gewidmet, die sich noch nicht aufgegeben haben und bereit sind, auch in diesen wahrlich absurden Zeiten, voneinander zu lernen. Wir meinen es alle nur gut – zumindest in dem Punkt sind wir uns einig.
Als ich heute Abend so richtig linear durch das TV-Programm zappte, dachte ich stillschweigend: «Das letzte, was ich jetzt brauche ist eine weitere News-Sendung zum Corona-Virus.» Also lehnte ich mich zurück, switchte auf GZSZ und musste keine zwei Minuten später feststellen, dass auch die neuste Intrige von Joe Gerner mich nicht davon abhält, nebenbei auf meinem Handy News zu konsumieren. «Basler Aufklärungskampagne geht viral» war die erste Headline, die mir ins Gesicht klatschte und voilà, da war er wieder – der Corona-Virus. Warum ich mich entschied, nach knapp 1,5 Jahren mal wieder selbst in die Tasten zu hauen, will ich euch in diesem Beitrag gerne nahelegen.
«Wir müssen da noch etwas für die Jungen machen»
Wer die Kampagne nicht kennt hier die Quintessenz: 30 Sekunden Händewaschen machen dich zum #Seifenboss. Oder aber meine Interpretation: Ein Hashtag, ein Emoji und dann rockt das Ding. So in etwa stelle ich mir die Konzeptphase vor. Es ist ein komisches Gefühl, das mich überkommt beim Blick auf die Kampagne. Ein Gefühl, das sich schwer beschreiben lässt – vergleichbar aber mit den WhatsApp-Skills meines Vaters, der vergangene Woche unseren Familienchat kurzum zum Corona-Virus-Liveticker umfunktionierte. Ich verstehe weder den Hashtag, noch die Verwendung des Hangloose-Emojis, das laut eigenen Angaben unter den Jugendlichen ein beliebtes Zeichen der Begrüssung ist.

Ich bin ja jetzt auch keine Zwanzig mehr, aber die letzte Person, die ich die «Shaka»-Geste habe machen sehen, war Kelly Slater in «Kelly Slaters Pro Surfer», das mein Bruder und ich 2002 auf er Xbox gezockt haben. Und selbst dann gab es die Geste nur dann zu sehen, wenn er einen perfekten Roundhouse Cutback gestanden ist. Gut, vielleicht ist mir hier etwas entgangen, dachte ich erst. Bis mein Mitbewohner vorgestern beim Abwasch witzelnd zu mir meinte: «Du bist halt ein echter Seifenboss.» Wer sagt sowas? Und warum nutzte man stattdessen nicht einfach das bereits etablierte «Like a Boss»-Meme, das mit Sicherheit etwas mehr bei den Jugendlichen gepunktet hätte als ein Hashtag, den man mit viel Mühe – oder in diesem Fall Witz – erst etablieren muss?
Mit der Schrotflinten-Taktik zum Erfolg?
Der Versuch der Stadt Basel, ihrer Aufklärungsfunktion nachzukommen, ist ja wirklich lobenswert – I really mean it. Aber den Kommentaren auf Instagram ist zu entnehmen: Es zu versuchen, reicht dann vielfach halt einfach doch nicht.
«’zumindest versueche sie es’ seit mer wenn de 12 jährig mit lernstörig de eltere sis macaroni bild zeigt und sies an chüehlschrank hänged.» – @innocentimental
Versteht mich nicht falsch, die kommunikative Challenge dieser Kampagne ist enorm, das will ich auf keine Art und Weise kleinreden. Wenn aber die Zielgruppe Kinder und Jugendliche sind, warum wird man dann weder in den sozialen Medien noch auf irgendwelchen Streaming-Plattformen auf die Kampagne aufmerksam? Vielleicht gehöre ich in meinen mid-thirties nicht mehr zum Segment – fair enough. Aber der einzige Ort, wo ich tatsächlich von der Kampagne erfahre, sind durch irgendwelche herumliegenden Flyer oder auf den Werbemonitoren im Tram. Ich weiss nicht, wie viele von den Projektverantwortlichen tatsächlich mit den öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs sind, aber lasst euch eines sagen: Die jungen Leute, die darin sitzen, starren hauptsächlich auf ihr Smartphone. Oder habt ihr schon mal einen 16-Jährigen zum Kollegen sagen hören: «Das ist aber eine glatte Kampagne hier auf dem Werbemonitor.» Ja, aber die Materialien sind auch als Download auf unserer Website verfügbar. Stimmt, und das ist prima. Denn so können alle Boomer die Dinger ausdrucken und Zuhause an den Kühlschrank pappen – finden die Kids bestimmt total geil.
Hauptsache, wir lernen was daraus
Auch wenn es offensichtlich scheint, dass sich mir mehrere konzeptionelle Aspekte dieser Kampagne überhaupt nicht erschliessen, will ich den Versuch gar nicht schlecht reden. Wie bei den WhatsApp-Nachrichten meines Vaters ist mir klar: «Sie haben es ja nur gut gemeint.» Trotzdem bin ich der Meinung, dass es hier nicht geschadet hätte, wenn man das Konzept noch einmal hätte challengen lassen. Darum ist es mir persönlich mit der Headline «Basler Aufklärungskampagne geht viral» einfach nicht getan. Auf Instagram sind es derzeit keine 100 Beiträge zum Thema und auf TikTok sucht man den Hashtag #Seifenboss vergebens. Aber wenn viral gehen heisst, dass es unter den Boomern zum Gesprächsstoff wurde, dann ja, liebe Projektbeteiligte, dann ging die Kampagne richtig steil.