Wurdet ihr schon mal als «n00b» bezeichnet? Oder nervt ihr euch, wenn der WhatsApp-Chat von Hieroglyphen übersät ist und ihr kein Wort versteht? Dann habt ihr es wahrscheinlich mit Gamern zu tun. Aber seid unbesorgt: Hierbei handelt es sich nicht um einen Virus, sondern lediglich ein Verständnisproblem.
Am Anfang stand das Spiel
Erinnert ihr euch noch an Sega oder Atari? Oder vielleicht an Spiele wie «King’s Quest» oder «Wolfenstein 3D»? Dann gehört ihr zweifelsohne zu den Early Adopter der digitalen Gamesphäre. Für alle, die sich darunter nichts vorstellen können: Ich bin etwas abgeschweift, sorry. Fakt ist, dass Game-Konsolen und sperrige Computermaschinen bereits seit über 30 Jahren unsere Wohnzimmer- und Schreibtischmöbel zieren. Es ist von einer Revolution die Rede – losgetreten von der Videospiel-Industrie: Online zocken Gemeinschaften miteinander für Ruhm und Ehre, Heerscharen von Cosplay-Fans verkörpern mit Herz und Seele ihre Lieblingshelden und auf Twitch streamen Gamer ihre Spielfortschritte live an ein Millionenpublikum.

Aus Mensch, Spiel und Medium entwickelte sich eine Gamekultur und mit ihr die Sprache. Seit 2013 gehört die «Gamersprache» offiziell zum Terminus der germanistischen Linguistik und ergänzt den üblichen Wortschatz des Netzjargons mit computerspezifischen Ausdrücken. Ein Trend? Wohl kaum, denn selbst in der Soziolinguistik, Diskursanalyse und anderen Kommunikationswissenschaften hat die Gamersprache bereits ihre Relevanz entfaltet. Aber wo hat die Sprache ihre Herkunft und wer hat sie ins Leben gerufen?
Aufgepasst mit Vorurteilen
Irrtümlicherweise werden Videospiele häufig als präpubertäres Verhalten oder «Schulbuben-Ding» abgetan. Weit gefehlt! Und so ist auch die Gamersprache kein Ausdruck von Jugend, sondern ein Jargon einer heterogener Interessensgemeinschaft entstanden durch Onlinespiele. Diese virtuellen Orte verbinden nämlich eine internationale Community, die sich zwecks Kommunikation ein Regelwerk erschaffen haben, das nicht nur sprach-, sondern auch generationenübergreifend als Instrumentarium dient. Forschungen der North Carolina State University machen deutlich: DEN Gamer gibt es nicht!
«People of all ages play video games. There is no longer a ‘stereotype game player,’ but instead a game player could be your grandparent, your boss, or even your professor. » —Jason Allaire, Ph.D., associate professor of psychology at North Carolina State University and co-director of the Gains Through Gaming Lab
Und so überrascht manch einen, dass knapp 50% der Gamer weiblich sind und lediglich ein Drittel jünger als 18 Jahre. In den USA liegt das Durchschnittsalter eines Gamers mittlerweile bei 31 Jahren, in Deutschland gar bei 35.5 Jahren. Der grösste Zuwachs: Spielerinnen und Spieler aus dem Segment 50+. So vielseitig wie die Community sind auch die Spiele selbst. Als explorative und meist nichtlineare Abenteuer stellen Videospiele eines der komplexesten und facettenreichsten Formen unserer zeitgenössischen Medienökologie dar. Daraus entwickelt hat sich eine Sprache, die von Spielern auf unterschiedlichen Medien und Kommunikationsplattformen verwendet werden und den Diskurs über die Spielinhalte – sowie das Zusammenspielen selbst – in den Vordergrund stellt.
Als Aussenstehender kommt es einem oft sehr verwirrend vor, wenn sich die Gamer untereinander «mit Anglizismen zuballern.» Dass dahinter aber tatsächlich eine Art Regelwerk steckt, möchte ich euch mit den folgenden vier Kategorien gerne näher bringen:
Die Koordinativen
AFK | «Away from Keyboard»: Wenn der Spieler oder die Spielerin sich nicht an der Tastatur befindet |
ATM | «At the moment»: Eine häufige Abkürzung, um beispielsweise seinen derzeitigen Spielzustand zu beschreiben (z.B. Ich bin etwas beschäftigt atm) |
BRB | «Be right back»: Das Zeichen, dass man kurz etwas nebst dem Spiel erledigen muss (Toilette, Haustür, Pizza, Telefon, etc.) |
GTFO | «Get the fuck out»: Eine deutliche Aufforderung, seine derzeitige Position zu verlassen (meist, weil der Spieler gerade im Schadensbereich steht) |
IMO | «In my Opinion»: Eine Abkürzung dafür, dass es sich hierbei lediglich um die eigene Meinung handelt |
IRL | «In Real Life»: Der aufmerksame Hinweis, dass es sich bei der Aussage um etwas im richtigen Leben handelt – also ausserhalb des Games |
KP | «Kein Plan»: Keine kommunistische Volkspartei, sondern schlicht und einfach eine deutsche Abkürzung, dass man gerade selbst nicht weiss, was Sache ist |
OMW | «On my way»: Wenn man sich auf dem Weg zu etwas/jemandem befindet und dies kundtut |
RE | Kurz für «I return» oder «I am back» und Zeichen dafür, dass man zurück ist (z.B. im Chat mit anderen Spielerinnen und Spieler) |
Die Derben
Camper | Hierbei handelt es sich um Spieler, die einen bestimmten Ort oder Position nicht verlassen, meist, um andere Spieler erneut anzugreifen |
Gank | Wenn ein Spieler oder eine Spielerin durch eine Gruppe oder eine unvorteilhafte Spielweise getötet «ganked» wird |
Noob (auch n00b) | Ableitung von «newb» und ein Ausdruck für Neuling oder unerfahrenen/begabungslosen Spieler |
OMG/
OMFG |
«Oh my God»: Häufig ein Kraftausdruck wenn etwas schief läuft – wahlweise mit der F-Version zur Steigerung |
Owned | Wenn man Herr/Herrin der Lage ist z.B. durch einen sicheren Sieg «den hast du aber geowned!» |
STFU | «Shut the fuck up» |
Spammer | Spieler, die orientierungslos ihre Angriffe in die Masse wirken und meist aus Glück statt Talent ans Ziel kommen |
TL;DR | «Too long, didn’t read»: Ein Hinweis, dass die geschriebene Botschaft zu lang/kompliziert ist, als dass sie im Kontext des Gamens lesbar wäre |
Troll | Spielerinnen und Spieler, die provokative Botschaften versenden |
WTF | «What the Fuck»: Meist ein Ausdruck dessen, dass man nicht versteht, was gerade vor sich geht |
Die Technischen
Craft | Gegenstände herstellen, z.B. durch einen Beruf im Game |
HP | «Health Points»: Die Anzahl Gesundheit, die einem Spieler oder einer Spielerin zur Verfügung steht |
Loot | Die Beute, die ein Gegner besitzt und man – meist durch die Beseitigung deren – «looten» kann (z.B. Gold, Ausrüstungsgegenstände, Verbesserungen, Spielsachen, andere Kreaturen usw.) |
Mana | Eine Art Ressourcenmanagement für Zauberwirker |
Mats | Abkürzung für «Materials», die man benötigt, um Gegenstände zu «craften» |
MOB | Ein häufiger Ausdrück für Monster oder Kreatur |
NPC | «Non Player Character»: Andere (nicht spielbare) Charakter, die im Spiel existieren und mit denen man interagieren kann |
PVE/PVP | «Player versus Environment, Player versus Player»:Weit verbreitete Abkürzungen für Spielumgebungen mit anderen Spielern oder NPCs/Mobs |
Rez | Kurz für «Resurrection», sprich das Wiederbeleben eines Spielers oder einer Spielerin |
Die Integrativen
FTW | «For the win»: Ein motivierender Kampfschrei |
GG/GJ/GZ | «Good Game, Good Job, Grats»: Ausdrücke für eine gute Leistung |
GLHF | «Good Luck Have Fun»: Eine Verabschiedungsform |
LOL/
LMAO |
«Laughing out loud/Laughing My Ass Off»: Equivalent für «haha» und Zeichen dafür, sich über etwas zu amüsieren (auch lustig mahen) |
NP | «No Problem»: Gängigste Art für «Bitteschön» |
WB | «Welcome Back»: Das Begrüssen eines Spielers nachdem dieser zurückgekehrt ist (z.B. Spieler 1: «Re», Spieler 2: «WB») |
Woot (auch w00t!) | Ausdruck extrem Überraschung (im positiven Sinne) über etwas (meistens Loot) |
XD/^^ | Smileys die ein lachendes Gesicht darstellen, meist wohlgemeint |
Der Dialekt der Genres
Selbstverständlich ist das volle Ausmass der Gamersprache nicht in ein paar wenige Kategorien oder Ausdrücke zu fassen. Viel mehr handelt es sich heutzutage um ein Online-Kompendium, gestreut über verschiedene Plattformen wie Wikipedia oder Urban Dictionary. Wie in anderen Sprachen besteht auch die Gamersprache aus Dialekten und Unterschieden. Interessanterweise lassen sich diese mit der Vielzahl an Spielgenres gleichsetzen, welche allesamt ihre Eigenheiten und Begrifflichkeiten haben. Die Art des Games ist oftmals gar Ursache für die Entstehung neuer Begriffe. So gesehen wird der Ursprung des Ausdrucks «n00b» dem Taktik-Shooter Counter-Strike nahegelegt; der virale und gleichermassen epische Ausdruck «Leeroy Jenkins» entstammt vor Jahren im MMORPG (Massive Multiplayer Online Role Playing Game) World of Warcraft. Kennen muss man all diese Ausdrücke nicht. Aber wer es dennoch tun will, der weiss: Am besten klappts mit einem Sprachaufenthalt. In diesem Sinne: GLHF!