Social Media: eine Frage der Ressourcen?

Ja, es gibt sie noch, die Unternehmen und Institutionen, die nicht in den sozialen Medien präsent sind. Unzureichende Ressourcen finanzieller und personeller Natur werden meist als Gründe für ihre virtuelle Inexistenz genannt. Doch was passiert, wenn man die Online-Medien vernachlässigt und welche Möglichkeiten gibt es, mit geringen Ressourcen den Einstieg zu schaffen? 

Rund 60 Millionen Unternehmensseiten tummeln sich heutzutage auf Facebook. Mein Newsfeed gleicht einem Star-Wars-Prolog. Die Fülle an Informationen von Seiten und Freunden ist schier überwältigend. In diesem Datendschungel fällt es doch eigentlich gar nicht auf, wenn man mit seinem Business nicht auf Social Media vertreten ist, oder? Stimmt! Und genau da liegt das Problem.

«If it’s not on Social Media, it doesn’t exist»

Unter den hartgesottenen Endgegnern von Social Media wird – man glaubt es kaum – auch heute noch behauptet, soziale Medien hätten für ihren Wirtschaftszweig eine geringe Relevanz. Nennenswerte Beispiele hierfür kommen aus unterschiedlichen Sektoren. Dazu zählen z.B. die Kulturwirtschaft (die Hochkultur lässt grüssen), der KMU- oder auch B2B-Bereich. Auch wenn jede Industrie ihr eigenes Social-Media-Regelwerk besitzt, kann diese Aussage so nicht pauschalisiert werden. Ein paar Denkanstösse:

Insofern ist der wahre Grund, Social Media zu vernachlässigen, wohl eher eine Mischung zwischen Ignoranz, Unwissen und einer momentan noch florierenden Wirtschaftslage. Zugegeben, nicht jeder nutzt Social Media aber was ist mit denen, die es tun und für die es eine Welt ohne Social Media gar nicht mehr gibt? Die Antwort ist einfach: Für die geht das Leben weiter, ob man mit seinem Business in den sozialen Medien aktiv ist oder nicht. Existieren tut man in den Augen dieser Leute ohne eine Social-Media-Präsenz jedoch sicher nicht.

Von Funktionen und Autoritäten

Ein weiterer Denkfehler liegt in der Tatsache, Social Media als eine isolierte Funktion anzusehen. Social Media ist nicht zwangsläufig eine neu geschaffene Stelle, sondern kann sich auch durch ein Interesse, eine Affinität oder Autorität äussern. Gerade in Unternehmen und Institutionen in denen Ressourcen knapp sind, sollte man nicht auf die erlösende Geldspritze des Managements für eine Neuanstellung warten, sondern damit anfangen, interne Kompetenzen und Funktionen zu evaluieren. Soziale Medien sind nicht per se Marketing oder Kommunikation, sondern in unterschiedlichen Bereichen einzusetzen. In ihrem Buch «Think Content!» spricht Miriam Löffler (2014) deshalb von Autoritäten, die notwendig sind, um Social Media erfolgreich zu betreiben.

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Autoritäten für den Umgang mit Webcontent (eigene Darstellung angelehnt an Löffler, 2014, S. 191–200)

Diese Autoritäten können je nach Wirtschaftssektor unterschiedlich angeordnet sein: Vielleicht entpuppt sich die Produktmanagerin als wahre Content-Queen, der Kundendienst-Angestellte als gnadenloser Geschichtenerzähler oder der HR-Mitarbeiter als charmanter Blickfang für die Videoproduktion. Grundsätzlich gilt: Je grösser die  Bereitschaft interner Stakeholder am Social-Media-Unterfangen mitzuwirken, desto stärker die Authentizität und potenzielle Aussenwirkung. Ein Beispiel eines solchen Modells stellt das ehemalige «eCulture-Konzept» aus meiner Zeit im Museumssektor dar. Unter der Berücksichtigung knapper Ressourcen etablierten wir einen interdisziplinären Ansatz, in welchem verschiedene Abteilungen am Social-Media-Unterfangen mitwirkten und so unterschiedliche Kompetenzen und Expertisen miteinflossen.

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Die Wirkungsfelder von «eCulture» im Museumssektor (eigene Darstellung)

Experimentieren erlaubt, aber die Qualität muss stimmen

In dieser neu gegründeten «Social-Media-Taskforce» braucht es anschliessend den Mut und Willen, einfach mal zu machen. Was ich hier so salopp formuliere ist gar nicht so selbstverständlich, denn manch ein Befürworter wurde über die Jahre von den Skeptikern mit ihrem «Regelwerk der Ignoranz» zugemüllt – eine Ansammlung kurzsichtiger und meist subjektiver Gründe, Social Media nicht zu betreiben. Aber bleibt mutig: Nur durch aktives Experimentieren könnt ihr das Erfolgsrezept eurer individuellen Social-Media-Präsenz tatsächlich eruieren. Fehler machen erlaubt. Zumindest dann, wenn die Kompetenzen so weit reichen, dass die heutigen Qualitätsstandards eingehalten werden können. Diese Standards umfassen u.a. die Fähigkeit Webtexte zu verfassen, unterschiedliche Medienformate zu verstehen sowie die Mechanismen der Plattformen korrekt anzuwenden. Unzählige Blogs, Tutorials und Websites machen deutlich: Dieses Wissen liegt nicht versteckt in irgendwelchen verstaubten Bibliotheken, sondern in Reichweite. Man muss es nur konsumieren wollen.

Das Problem mit den Prioritäten

Solange weiterhin fleissig Newsmeldungen und Pressemitteilungen produziert und heiter Geld in die Produktion von Printmedien investiert wird, ohne dabei die effektiven Bedürfnisse der Rezipienten zu berücksichtigen, ist Social Media keine Frage der Ressourcen, sondern der Prioritäten. Soziale Medien sind keine Allzweckwaffe zur Absatzsteigerung, aber sie sind ein fixer Bestandteil unserer Alltagskultur. Auch die Hoffnung der Endgegner, dass es sich bei Social Media nur um einen kurzfristigen Trend handelt, schwindet langsam. Die grossen Plattformen feiern ihr bereits über 10-jähriges Bestehen und die zunehmende Monetarisierung öffnet immer neue Geschäftsfelder.

Klar ist: Das alles zu verstehen nützt nichts solange Social Media an übergeordneten Regulatoren scheitert. Ein Vorteil bleibt uns Enthusiasten aber: Im Gegensatz zu vielen meist starren «Top-Down-Strukturen» funktioniert Social Media auch «Bottom Up». Die Überzeugungsarbeit leistest demnach nicht du alleine, sondern mit dir auch eine zunehmend digitalisierte Gesellschaft. Es ist daher wohl lediglich eine Frage der Zeit, bis dies auch den Entscheidungsträgern deutlich wird.